1. Die Kapelle Gamb

Konrad Gamb wurde am 20. März 1896 als Sohn des Metzgermeisters Konrad Gamb in Rauschenberg geboren. Nach der Schulzeit setzte er sich gegen den Willen seines Vaters, der ihn gerne zum Metzger ausgebildet hätte, durch und begann eine Ausbildung als Musiker, zunächst in Form von Geigenunterricht beim Hartmann Hof. In dessen Kapelle erlernte er auch das Tenorhorn, jenes Instrument, das ihn bis zu seinem Tod begleiten sollte.

Als Freiwilliger zog Gamb 1914 in den ersten Weltkrieg und wurde Militärmusiker, was er dann 30 Jahre blieb. 1930 kam er zum Reichsarbeitsdienst nach Mühlhausen in Thüringen und später bis zum Ende des Krieges zum Musikkorps des Reichsarbeitsdienstes in Wien. Dort stieg er bis zum Obermusikzugführer auf.

Nach dem zweiten Weltkrieg kam er nach zweimonatigem Fußmarsch zusammen mit seiner Frau in seine Heimatstadt Rauschenberg zurück. Er verdiente sich seinen Lebensunterhalt u. a. als Musiker in amerikanischen Offiziersklubs, spielte in der renommierten Marburger Kapelle „Karl Pauli“ Posaune und Tenorhorn, nahm in Hofgeismar Unterricht bei Theatermusikern und Musikprofessoren.

Gamb wurde Mitglied der neu entstandenen Marburger Philharmonie, gehörte dem Hessischen Symphonieorchester der Stadt Wetzlar an und war in den 50er Jahren Musiker beim Kurorchester in Badenweiler.

Im Jahr 1947 nahm Konrad Gamb die Ausbildung junger Leute aus Rauschenberg und Umgebung auf und gründete 1948 die Kapelle Gamb. Seine ersten Schüler waren zwischen 11 und 14 Jahre alt, als sie mit der Ausbildung anfingen. Gamb selbst beherrschte acht Instrumente und konnte auch noch Unterricht an einigen weiteren geben. Heinrich Martin und Willi Röder kamen aus Burgholz, Gerhard Vaupel aus Schwabendorf zu dem strengen Lehrer nach Rauschenberg. Die Rauschenberger Heinrich Merle und Willi Wissemann und der Kirchhainer Waldemar Felczykowski verstärkten die junge Kapelle. Im Laufe des Jahres 1948 gesellten sich die jungen Musiker Heinrich Dönges aus Wolferode und Fritz Sachs aus Burgholz hinzu. Einer der ersten Auftritte der Kapelle Gamb war das traditionelle Silvester-Turmblasen in Rauschenberg.

Die Unterrichtsstunden bei Konrad Gamb kosteten vor der Währungsreform 1948 drei Reichsmark, später zwei D-Mark, viel Geld in einer Zeit, als die Väter Stundenlöhne um eine D-Mark verdienten. Deshalb wurde der Unterricht öfter auch mit einer Wurst oder ein paar Eiern bezahlt. Natürlich waren die Instrumente, wenn auch gebraucht, ebenfalls nicht billig. Auch sie wurden zum Teil mit Erzeugnissen der heimischen Landwirtschaft bezahlt. In einer Zeit, in der es für Jugendliche außer der Lehre und der Arbeit in der elterlichen Landwirtschaft kaum Freizeitbeschäftigungen gab, nahmen Gamb´s Jungmusiker eine Menge auf sich. Zum Unterricht und zu den Proben wurde meistens gelaufen, selten mit dem Fahrrad gefahren. Bei Auftritten war das nicht anders.

Musiker und Instrument mussten auch bei Regen und Schnee pünktlich und heil ankommen, was nicht immer ganz einfach war. Konrad Gamb war sicher kein einfacher Mensch. Kam es ihm in den Sinn, bekamen seine Schüler auch schon einmal eine Ohrfeige oder den Geigenbogen auf die Finger. Er konnte laut werden und war manchmal autoritär. Widerspruch duldete er nur ausnahmsweise und diskutieren war nicht seine Sache. Das trug ihm hinter vorgehaltener Hand den Spitznamen „Stalin“ ein, der zuweilen heute noch in Gebrauch ist, sobald von Konrad Gamb gesprochen wird. Meist jedoch ist er einfach und netter der „alte Gamb“.

Die Kapelle Gamb in den 1950er Jahren.
Die Kapelle Gamb in den 1950er Jahren.

In den folgenden Jahren bestritt Gamb mit seiner Kapelle zahllose Auftritte bei Zeltfesten, Tanzveranstaltungen und sonstigen Feierlichkeiten. Herausragende Ereignisse waren die zahlreichen Auftritte in Hofgeismar bei Regimentstreffen der Einheiten, denen Gamb als Soldat angehört hatte. 1951 waren es auch Gamb und Heinrich Merle, die den Spielmannszug der Freiwilligen Feuerwehr Rauschenberg gründeten.

Als Folge der rasch steigenden Popularität ernannte Mitte der 50er Jahre der Landesstabführer des Kyffhäuserbundes, Dr. Reuß, die Kapelle Gamb zur Kreiskyffhäuserkapelle. Wenig später folgte die Ernennung zur Kreisfeuerwehrkapelle durch Kreisbrandinspektor Köster. Die Kapelle Gamb trat nunmehr meist in Feuerwehr- oder Kyffhäuseruniform auf.

Konrad Gamb 1955
Konrad Gamb 1955

Zum 20. Geburtstag fand Ostern 1968 ein Jubiläumskonzert in Rauschenberg statt, in dessen Verlauf Konrad Gamb durch den Kreisbrandinspektor Köster zum Hauptmusikzugführer ernannt wurde. Nur zehn Monate später starb Gamb am 23. Februar 1969 plötzlich im Alter von 73 Jahren. Sein Tod riss eine große Lücke in die Kapelle. Mochte er ein zuweilen strenger Mensch, Lehrer und Dirigent gewesen sein, seine Musiker fühlten sich mit ihm doch freundschaftlich verbunden und sein Tod war ein großer Verlust für jeden einzelnen.

Mit Konrad Gamb fehlte nun nicht nur ein Kamerad und Musiker, sondern auch der Dirigent und Organisator. Hatte Gamb sich bis dahin um vieles gekümmert, so waren die Musiker nun plötzlich auf sich allein gestellt. In organisatorischen Dingen wurde Gamb in den 50er und 60er Jahren bereits unterstützt von Fritz Sachs, Gerhard Vaupel und Willi Wissemann, letzterer hatte jahrelang die Vereinskasse geführt.